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Mitglieder-RundbriefeUnsere Mitglieder werden regelmäßig von unserem Vorsitzenden Albert Esser (oder anderen Vereinsmitgliedern wenn im Beitragstitel vermerkt) über neue und interessante historische Erkenntnisse informiert. Auf dieser Seite finden Sie unsere Mitglieder-Rundbriefe nach Datum geordnet (neueste zuoberst). Bitten wählen Sie von der linken Menüleiste unter den Rundbriefen aus. Galilei - ein Zufallsfund (Mai 2023, von Manfred Lenzen - Fortsetzung von "Digitale Handschrift-Transkription" - zurück)Manchmal sucht man nach etwas Bestimmten und findet etwas anderes. So auch im Falle unseres Giovanni Capitani, der um 1680 in Etzweiler eine Familie gründet. Auf der Suche nach Giovannis Taufeintrag in den den umfangreichen Taufregistern des Archivio storico delle fedi di battesimo in der Opera di Santa Maria del Fiore di Firenze bin ich auf einen spektakulären Zufallsfund gestoßen - der Taufe eines Enkels von Galileo Galilei! ![]() Samstag, der 12. April 1636: In Florenz wird getauft Cosimo, der Sohn des Vincenzo Galilei und der Sestilia Bocchineri. Vincenzo Galilei ist der Sohn des berühmten Wissenschaftlers Galileo Galilei. Vincenzio Gamba (1606-1649), später Vincenzo Galilei (1619), war der uneheliche Sohn von Galileo Galilei (1564-1642) und seiner Geliebten Marina Gamba (1570-1612). Vincenzo wurde 1619 seinem Vater zugesprochen. Wie sein Großvater Vincenzo Galilei wurde der jüngere Vincenzo Lautenist. Vincenzio wurde in Padua geboren wie seine beiden Schwestern Virginia (1600–1634; später Schwester Maria Celeste) und Livia (1601–1659; später Schwester Arcangela). Er wurde nach seinem Großvater benannt. 1619, nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1612, wurde seine Geburt vom Großherzog der Toskana legitimiert. Vincenzo war besonders begabt in der Poesie, Musik und Mechanik. Sein Vater Galileo ermutigte ihn, in Pisa Jura zu studieren, und vertraute ihn Benedetto Castelli (1577/1578-1443) an. 1629 heiratete er Sestilia Bocchineri (ca. 1610–1669, Tochter des Carlo Bocchineri). Nach seiner Heirat stritt er sich mit seinem Vater um Geld. Ihre Beziehung verbesserte sich später und Vincenzo unterstützte seinen Vater in dessen letzten, schwierigen Jahren und half ihm, seine neu erfundene Uhrhemmung zu bauen. Galileos Student und Biograph Vincenzo Viviani (1622-1703) erwähnt Vincenzo Galileis Fähigkeit als Erfinder von Musikinstrumenten und insbesondere seine Konstruktion einer "Laute, die er mit einer solchen Kunst baute, dass er, wenn er sie so hervorragend spielte, kontinuierliche und goliardische Stimmen aus den Schnüren extrahierte, als ob sie aus den Pfeifen einer Orgel hervorstießen".
Links: Galileo Galilei (15. Februar 1564 – 8. Januar 1642), Astronom, Physiker und Ingenieur. Porträt von Justus Sustermans aus dem Jahr 1636, das Jahr der Taufe seines Enkels Cosimo. Mitte links: Einbandseite des Werkes "Della musica antica et della moderna" (1581) von Vincenzo Galilei senior (geboren in Santa Maria a Monte am 3. April 1520, gestorben in Florenz am 2. Juli 1591). Mitte rechts: Galileos Uhrhemmung an der ihm sein Sohn Vincenzo half (Zeichnung von Vincenzo Viviani). Rechts: Virgina (* 1600), Schwester des Vincenzo Galilei. Aufgrund ihrer unrechtmäßigen Geburt hielt Galileo seine Tochter für unverheiratbar. Ihre einzige würdige Alternative war das religiöse Leben. Sie wurde - wie ihre Schwester Livia - vom Kloster San Matteo in Arcetri aufgenommen und blieb dort für den Rest ihres Lebens. Virginia nahm den Namen Maria Celeste an, als sie das Kloster betrat. Sie starb am 2. April 1634 und wurde mit ihrem Vater Galileo in der Basilika Santa Croce, Florenz, begraben. Wird uns ein ähnlicher Zufallsfund zum Giovanni Capitani, d.h. dem Etzweiler Johannes Capitein führen?
Um die ganze Welt - Kupfer aus Mariaweiler (April 2023, von Manfred Lenzen zurück)Vor einigen Tagen wurden die Resultate einer faszinierenden Studie in der Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht. Herr Tobias Skowronek von der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum untersuchte die berühmten Bronzen aus Benin in Westafrika, die - aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammend - heute in Museen in aller Welt ausgestellt sind, u.a. in London, Berlin und Lagos. ![]() ![]() Die berühmten Bronzen von Benin aus dem Zeitraum 16. bis 18. Jahrhundert, hier im British Museum. Die Benin Bronzes (aus Messing und Bronze) sind eine Gruppe von Skulpturen, die aufwendig verzierte Gussplaketten, Gedenkköpfe, Tier- und Menschenfiguren, Gegenstände mit königlichen Insignien und persönliche Ornamente umfassen. Sie wurden mindestens ab dem 16. Jahrhundert im westafrikanischen Königreich Benin von spezialisierten Gilden geschaffen, die für den königlichen Hof des Oba (Königs) in der Hauptstadt Benin arbeiteten. Was bei Herrn Skowroneks geochemischen Analysen herauskam ist verblüffend: Das Ausgangsmaterial dieser berühmten Kunstartikel stammt aus dem Rheinland. Nach Kontaktaufnahme mit Herrn Skowronek steht nun fest, dass die Mariaweiler Kupfermühle ganz oben auf der Liste der Kandidaten steht, deren Kupfer heute in den Beniner Bronzen enthalten ist! Herr Skowroneks Entdeckungen sind weit in den Medien verbreitet worden, zum Bespiel im Guardian, und es gibt dazu einen Youtube-Film. Die Reise des rheinischen Kupfers ist höchst verwickelt: Es wurde zunächst zu sogenannten Manillen-Armreifen aus Messing verarbeitet, die als Währung dem transatlantischen Sklavenhandel dienten. Das Edo-Volk im Königtum Benin in Westafrika schmolz diese Reifen dann wieder ein und schuf daraus die einmaligen Bronze-Statuen. In seiner Dissertation schreibt Herr Skowronek:" Schon lange vor den großen Augsburger und Nürnberger Patrizierfamilien der Fugger, Welser und Höchstetter waren Deutsche Handelsgesellschaften und Firmen die treibende Kraft im überregionalen Metallwarenverkehr, da sie nach van der Wee (1963) über das meiste Kapital verfügten. Dieses Kapital, das wiederum in mitteleuropäischen Montanunternehmen angelegt und durch den Metallhandel sukzessive vermehrt wurde, stammte seit dem 14. Jahrhundert aus dem Rheinland. [...] so handelt es sich, bei den hier untersuchten Manillen, um ein technisches Produkt, dessen Verwendungszweck bei den Herstellern (hier: die Fugger und die Rheinländer) möglicherweise bekannt war. Eine erstaunliche Beobachtung." Franz Irsigler geht in seinem Beitrag über das rheinische Kapital in mitteleuropäischen Montanunternehmen noch konkreter auf die Herkunftsorte ein:" Wichtiger war der Gewinn des Galmeimonopols, das vor allem Karl Wolff von Köln aus mit beachtlicher Konsequenz nutzte. Er wollte sich nicht darauf beschränken, die maasländisch-rheinische und die mittel- und oberdeutsche Messingproduktion mit Galmei zu beliefern. [...] Vielmehr stieg er selbst in die Messingproduktion ein und errichtete unter Kapitalbeteiligung seiner Brüder Peter und Johann [...] eine sogenannte Kupfermühle zu Mariaweiler bei Düren. Die Standortvorteile liegen auf der Hand, wobei eine offene Frage bleiben muß, welche Rolle die Steinkohlenvorkommen des nahen Eschweiler spielten. Als technischen Leiter gewann Wolff Martin Toppler aus einer bedeutenden Nürnberger Familie, die stark im sächsischen Bergbau engagiert war. Allein im Jahre 1500 bezog er von Jakob Fugger und seiner Gesellschaft Kupferplatten im Wert von 6000 rheinischen Gulden [...] Von diesen Abmachungen wissen wir, weil sich nach Karl Wolffs Tod im Spätsommer 1500 die Erben über die Besitzrechte an der auf 8000 Gulden geschätzten Messinghütte nicht einig werden konnte." Im Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland gibt es hierzu eine Prozessakte aus dem Jahre 1501, wegen der von Karl Wolff hinterlassenen Koffermühle bei Mariaweiler und der Bekümmerung durch die Fugger. Gasthaus Flohr (März 2023 zurück)Hier eine Postkarte von 1954, die Häuserfront etwas manipuliert. Interessant auch Empfänger und Text. Camille Triponel hat vor dem Krieg in Mariaweiler gewohnt, war wohl Textiltechniker bei Kufferath. Hat auch dort in der Nähe gewohnt, heutiges Haus Lommessemstr. 46. Seine Tochter Maria ist 1932 in Mariaweiler eingeschult worden, hatte die französische Staatsbürgerschaft. Das ist in der Schulchronik vermerkt. Er ist in den 1920er Jahren in Olten, Schweiz, dem Bestimmungsort der Karte, in einer Studentenburschenschaft gewesen, wo er 1956 ausgeschieden ist.
Retter Zapp - der zweite Streich (März 2023 - Fortsetzung von "Eine vereitelte Straftat" - zurück)6 Jahre später macht Felix Zapp noch einmal auf sich aufmerksam. Wie im Aachener Anzeiger vom 21. Mai 1929 zu lesen ist, rettet er den Küster von Mariaweiler vor dem Ertrinken im Mühlenteich. Küster und Organist zu dieser Zeit war Wilhelm Brück, hier ein Foto bei der Glockenweihe im Jahr 1928. Im Zeitungsbericht wird als Ort des Geschehens das „Hustert“ genannte Teilstück des Mühlenteiches erwähnt. Das ist das Stück, das hinter der Anne-Frank-Gesamtschule verläuft. ![]() ![]() Karnevalszeit – Zeit für einen Blick 130 Jahre zurück (Februar 2023 zurück)1893 - das Gründungsjahr der ältesten (bekannten) Karnevalsgesellschaft in Mariaweiler. „Löstige Grömmele“ hieß sie. Hier eine Zeitungsanzeige in der Dürener Zeitung aus dem Gründungsjahr. Gefeiert wurde im „Kaisersaal des Jacob Bohlheim“. Wie man sieht, gab es damals auch schon das Vermummungsverbot. „Maski(e)rte haben keinen Zutritt“! ![]() Die Gaststätte Jacob Bohlheim lag in der Aldenhovenerstraße gegenüber dem Bürgerhaus. Das Gebäude, dass heute zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt wird. Den „Kaisersaal“ nennt man heute „Ballermann“. Ja - man mag es kaum glauben. Diese Gebäude sind tatsächlich älter als 130 Jahre. Später wurde auch in den Sälen „Schneider“ (Mariaweiler Eck) und „Berg“ (Mariaweiler Hof) gefeiert. Heute stehen bei Karnevalsveranstaltungen zum überwiegenden Teil Biergläser auf den Tischen. Das war früher etwas anders. Aus Zeitungsanzeigen späterer Jahre ist das ersichtlich. „- nebst Wein wird auch Bier verabreicht“ ist da zu lesen. Rosenmontagsumzüge hat es auch gegeben. Aufgestellt wurde sich am Getzer Hof. 1913 wurde ein Modell des neu zu bauenden Wasserturms mitgeführt. Letztmalig ist eine Zeitungsanzeige der „Löstige Grömmele“ im Jahr 1914 zu finden. Der erste Weltkrieg hat dem Verein wohl den Garaus gemacht.
Digitale Handschrift-Transkription - schwieriger als man denkt (Februar 2023, von Manfred Lenzen - Fortsetzung von "Die Bücher der Seelen" - zurück)In den Florenzer Seelenbüchern ist der Etzweiler Johannes Capitaine nicht auffindbar. Dies ist verständlich, hat er doch als junger Mann seine italienische Heimat verlassen um in Etzweiler eine Familie zu gründen. Er fand also als Familienoberhaupt nie Aufnahme in den Florenzer Seelen-Registern. Nun wende ich mich den umfangreichen Taufregistern des Archivio storico delle fedi di battesimo in der Opera di Santa Maria del Fiore di Firenze zu, um eventuell die Taufe des Johannes Capitaine, oder Giovanni Capitani, wie er in Italien geheißen habe musste, zu orten. Zwischen 1450 und 1900 existieren 445 Taufregister, mit je 200-300 Seiten, und rund 30 Einträgen pro Seite. Alleine zwischen 1650 und 1665, also dem möglichen Zeitraum von Giovannis Taufe, liegen die Register 48 bis 55, mit etwa 2000 Seiten und 60,000 Einträgen. Da liegt es nahe sich einmal über digitale Texterkennung zu informieren. Eine kurze Suche online ergibt Treffer z.B. bei Transkribus oder OCR4all. Während Transkribus handschriftliche Dokumente zu bearbeiten imstande ist, kostet es Gebühren die bei 2000 Seiten schon aufs Portemonnaie schlagen. OCR4all ist umsonst, transkribiert aber nur Druckschrift. Die Restriktion auf Druckbuchstaben ist oft das Problem bei existierender Software zu OCR - Optical Character Recognition. Dass Handschrifterkennung so viel schwieriger ist, liegt am Segmentierungsproblem von kursiver Schrift. Einfach ausgedrückt: Es gibt keine eindeutigen Codierungs-Vorschriften, die einem Computerprogramm ermöglichen, fehlerfrei in einem kursiven Wort festzustellen, wo ein Buchstabe aufhört und der nächste anfängt. Man stelle sich nur einmal die allgegenwärtigen wellen- oder zackenförmigen Schreibweisen von „i“, „m“, „n“, und „u“ vor; um hier zu entscheiden wo Buchstaben voneinander abgrenzen, wenden menschliche Leser ihr Vokabelrepertoire an, und das kann OCR nicht, denn es sucht nur nach Buchstabenmustern. All diese Probleme existieren bei Druckschrift nicht, denn hier sind einzelne Buchstaben eindeutig durch einen Zwischenraum abgegrenzt. ![]() Das Wort „immun“ in Sütterlin-Font, online generiert. Eine automatische Segmentierung ist hier äußerst schwierig, insbesondere wenn der Schreiber den Bogen über dem „u“ weglässt. Ich habe die Kursiv-Segmentierung einmal mit eigenem Code an einer der Florentiner Taufbuchseiten ausprobiert. Jenachdem, wieviel digitale Pixel man denn als Buchstaben- oder Worteinheit annimmt, wählt der Segmentierungscode manchmal gleich zwei oder drei Buchstaben aus. Man beachte das „Cos“ von „Cosimo“, das ohne Probleme auch als kursives „M“ oder „W“ gelesen werden könnte, oder das hochgestellte „a“ bei „Andr.a“. Falls nun noch Tintenflecken, Verfärbungen, Schatten und Falten, oder auch Änderungen im Neigungswinkel mit hinzukommen, sieht es für die Segmentierung und Erkennung zunehmend schlecht aus. ![]() Ausschnitt aus einer Segmentierung einer Taufbuchseite aus den Florenzer Registri Battesimali, in 5-Pixel-Einheiten. Die sogenannte intelligente Worterkennung (IWR - Intelligent Word Recognition) fügt dem Transkriptionsprozess deshalb zudem ein Lexikon bei, mithilfe dessen OCR-entzifferte mögliche Buchstabensequenzen mit reellen Worten auf ihre Wahrscheinlichkeit geprüft werden. Dies funktioniert bei einem sinnvollen Stück Text - aber wie sieht es aus mit historischen Handschriften voller Abkürzungen und Eigennamen, denen oft auch noch orthografische Konsistenz fehlt? Nicht gut lautet hier die Antwort, denn trotz massenweisem Training mit Beispielsdokumenten und -transkriptionen sind die Fehlerraten sehr hoch. Ein weiteres Experiment mit den Florenzer Taufbüchern belegt dies: Während „Raffaello“ erkannt wird, werden „Antonio“ und „di“ zu einem IWR-Wort verbunden. Hinzu kommt, dass einige Anfangs-„C“ oder -„G“ so ausgreifend verschwungen sind, dass sie mit Worten in den angrenzenden Zeilen verschmelzen; dies führt zu weiteren Segmentierungsfehlern, wie auf der Abbildung klar ersichtlich ist. ![]() Segmentierung einer ganzen Taufbuchseite aus den Florenzer Registri Battesimali, in 500-Pixel-Einheiten. Was sagt uns dies alles? Dass das menschliche Gehirn beim Handschrift-Lesen - was wir eigentlich als einfach empfinden - überraschenderweise selbst den besten Computerprogrammen bei Weitem überlegen ist. Die Chancen, unserem Giovanni Capitani elektronisch auf die Spur zu kommen, sind also enttäuschend gering. Was nun? Mehr dazu später.
Keine Blankokarten für Herrn Stille (Januar 2023 zurück)Ein Sponsor ermöglichte uns den Erwerb dieser Postkarte aus dem Jahr 1893. Adressiert ist sie an Herrn Eduard Stille in Hannover. ![]() Sie wurde versendet von der auf der Gelben Mühle ansässigen Fa. Benrath & Franck, dessen Fertigungsspektrum noch weitestgehend im Dunkeln liegt. Aber durch diese Postkarten wissen wir nun, was die Firma NICHT produzierte. Offenbar war dieser Herr Stille in Hannover so bekannt, dass keine weiteren Adressdaten erforderlich waren. Er war Besitzer einer lithographischen Kunstanstalt, Buch-, Stein- und Lichtdruckerei und fertigte u.a. auch Spielkarten. ![]() Der Text lautet: Gelbe Mühle, den 7. Dez. 1893 Die Bücher der Seelen (Januar 2023, von Manfred Lenzen - Fortsetzung von "Auf nach Florenz!" - zurück)Die italienischen Status Animarum (wörtlich: „Seelenzustände“) waren Verzeichnisse, die nach dem Rituale Romanum (dem liturgischen Buch der Feiern nach dem Römischen Ritus der katholischen Kirche) von 1614 regelmäßig von Pfarrern erstellt werden mussten: Sie erfassten persönliche und religiöse Daten der Gemeindemitglieder sowie deren Berufe und Besitztümer. Letztere Daten waren nützlich für die Bestimmung des Zehnten (Zehntel des Vermögens), der an die Gemeinde zu zahlen war. Daher können die Status Animarum als eine Art organisierte Volkszählung betrachtet werden. Diese Bücher der Seelen wurden von den Pfarrern in der Regel anlässlich des Ostersegens erstellt: Sie registrierten daher die Gemeindemitglieder nach Familienkernen gemäß dem Ablauf der Besuche. Im Allgemeinen wurden der Vor- und Nachname, das Alter und der Status jedes Gemeindemitglieds in Bezug auf die Sakramente der Beichte, der Kommunion und der Firmung angegeben (diese wurden durch Anbringen eines grafischen Zeichens „+“ oder einer Abkürzung – C. oder Conf., Com., Ch.) angegeben. Heute werden Stati oft in den einschlägigen Pfarrarchiven, sofern vorhanden, gemeinsam mit den Pfarrbüchern (Taufbücher, Hochzeitsbücher, Verstorbenenbücher etc.) aufbewahrt. Im Fall von aufgelösten oder zusammengelegten Pfarreien wird ihre Aufbewahrung den Diözesanarchiven anvertraut. Dies ist auch der Fall in Florenz, wo das das Archivio Storico Arcivescovile - das Erzbischöfliche Historische Archiv - die Seelenbücher aufbewahrt. Manchmal sind es magere Listen mit Namen und Nummern, aber wenn sie besonders genau sind, bergen die Seelenbücher wichtige Informationen: die Namen der Straßen und Stadtteile, den Besitz oder Anmietung des Hauses, die Arbeitsbedingungen des Familienoberhauptes, die Anwesenheit von Dienstboten und Diener usw. Sie sind daher eine sehr wichtige Quelle für demografische und soziale Studien und für die genealogische Forschung. Aus genealogischer Sicht erweist sich der Status Animarum als wesentliche Quelle zur Identifizierung der verschiedenen Kinder eines einzigen Familienoberhauptes, das fast immer zuerst genannt wurde. In Italien müssen sich genealogische Recherchen zu nichtadligen Familien im Allgemeinen auf die ältesten verfügbaren Seelenbücher beschränken. ![]() ![]() Der Einband (links) und die Titelseite (rechts) der Descrizione dell'Anime der Pfarrei San Pier Maggiore in Florenz. In Florenz habe ich mich in den dortigen Büchern der Seelen auf die Suche nach unserem Giovanni Capitani gemacht. Hier finden wir zu den Namen der Familien die folgenden Spalten: Aie, Comne und Comti. Diese Spalten bedeuten Anime – wörtlich „Seelen“, die Anzahl der Personen; Comunione – die Anzahl der Familienmitglieder die die Heilige Kommunion zur Ostermesse empfangen dürfen; und Comunicanti – die Anzahl der Familienmitglieder die die Heilige Kommunion zur Ostermesse des jeweiligen Jahres (hier 1673) tatsächlich empfangen haben. Der Auszug im Bild unten zeigt den oberen Teil der Liste für die Florenzer Straße Via della Colonna, die auch heute noch existiert. ![]() Hier finden wir zum Beispiel die Familie des Ottaviano de Medici, 36 Jahre alt, wohnhaft mit seiner Frau (Consorte) Lucrezia, 30 Jahre alt, im Haus Nr.145 in der Via Borgo Pinti, mit 12 Familienmitgliedern, seinen Kindern (0 bis 10 Jahre alt, bezeichnet mit Sig: und Sig:ra), und zwei Mägden (serva) Anna Maria (25) und Maria (17). ![]() Tatsächlich taucht ein Giovanni Capitani im Seelenbuch von 1669 auf! Der Zusatz di Neri identifiziert seinen Vater, Neri. Giovanni erscheint hier als das Oberhaupt einer Familieneinheit mit 3 Mitgliedern, die alle zur Heiligen Kommunion berechtigt sind, und die alle an der Heiligen Kommunion der Ostermesse 1669 teilgenommen haben. ![]() ![]() Die Vorfahrenschaft des Giovanni di Neri Capitani ist dokumentiert in den Carte Pucci, einer Sammlung von Stammbäumen florentinischer Adelsfamilien des 17. Jahrhunderts, aufbewahrt im Archivio di Stato di Firenze (Inventar No. 263). Auf einer schönen Ahnentafel die bis zum Jahr 1309 zurückreicht (!) finden wir Giovanni und seinen Bruder Leonardo (rechts unten). Man beachte die Vermerke bei Giovanni: „vivé 1720“ und „ultimo [...] famiglia“; laut dieser Quelle ist er also der letzte überlebende Vertreter des Mannesstamms - kann also nicht der Etzweiler Johannes sein. ![]() Blatt No. 2 der Akte 16 in Schachtel IV der Carte Pucci, aufbewahrt im Archivio di Stato di Firenze (Inventar No. 263). Ob „unser“ Giovanni Capitani mit Giovanni di Neri verwandt ist, oder sich sonst in den Büchern der Seelen noch auffinden lässt? Mehr dazu später.
Auf den Spuren der Capitaine in Florenz (Dezember 2022, von Manfred Lenzen - zurück)In einer Veröffentlichung in den Dürener Geschichtsblättern verfolge ich die Spuren der Pierer Familie Capitaine über Golzheim und Etzweiler nach Florenz. ![]() Auszug aus dem Berrendorfer Sterberegister vom 19. September 1713: 19 9bris obÿt Joannes Caputeïn Hÿdropicus oriundus ex Florentia maritus Mariæ ex Etzwiler. Meine Frage ist: Ist der Etzweiler Johannes Capiteïn in Florenz nachzuweisen? Wie würde dort sein Name auf Italienisch gelautet haben? Einige Aufschlüsse können die umfangreichen Taufregister des Archivio storico delle fedi di battesimo in der Opera di Santa Maria del Fiore di Firenze ergeben, reichen diese doch bis 1450 zurück! Um der Sache auf den Grund zu gehen reiste ich nach Florenz und besuchte dort das Archivio Storico Arcivescovile - das Erzbischöfliche Historische Archiv. ![]() ![]() Bei der Durchsicht der Heiratsregister, 1564-1665. Eine interessante Eigenart dieser italienischen Register ist, dass sie grob alphabetisch geordnet sind - nur nicht nach Nachnamen sondern nach Vornamen! Und wie man hier in der Abteilung "G" sieht: Giovannis gibt es viele! ![]() Weiteres zum Wegekreuz (November 2022 - zurück)Vor fast einem Jahr berichtete der Geschichts- und Heimatverein über das Wegekreuz am Getzerhof. Es ist ein ziemlich außergewöhnliches Kreuz, an das vor längerer Zeit auch das Freilichtmuseum Kommern großes Interesse gezeigt hat (Quelle: Helmut Dinges). Dass es - wie wir geschrieben haben - "wiedergefunden" wurde ist jedoch so nicht richtig. Es war immer bekannt, das es sich in Privatbesitz der Familie Kuckartz befindet. Das ist auch schon im Jahr 2000 erschienenen Buch "Mariaweiler, ein Dorf im Wandel der Zeit" von Hans-Heinrich Linden zu lesen. Ein Glücksfall für das Kreuz, denn sonst würde es wahrscheinlich nicht mehr existieren. Wie uns der Enkel des jetzigen Besitzers erzählt hat, war es, nachdem es in den Besitz der Familie gekommen war, zwei Jahre lang bei einer Restauratorin in Köln, wo es, sicherlich nicht ohne erhebliche finanziellen Mittel, restauriert wurde. Hier wurde der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt, wie es hier im ersten Foto zu sehen ist. ![]() ![]() ![]() Wie auf dem Foto, das wahrscheinlich aus den 1950er Jahren stammt, zu erkennen ist, war damals schon der senkrechte Balken fast auf seiner gesamten Länge gerissen. Auf dem zweiten Foto sieht man dann, dass es angestrichen worden ist. Der lange Riss ist nicht mehr zu sehen. Das Kreuz wurde mit einem „Dach“ versehen, was aber wohl kaum als Witterungsschutz zu bezeichnen sein dürfte. Zumal das Kreuz zur Westseite hin stand. Auf den nächsten Fotos ist dann zu sehen, dass die Farbe bröckelt und der Riss wieder zum Vorschein kommt. Dieser Riss ist am heutigen Kreuz nicht mehr zu sehen. Er wurde von der Restauratorin mit anderem Material verschlossen. ![]() Das Kreuz stammt aus dem Jahr 1851, wie aus der Inschrift hervorgeht. Also aus der Zeit, als „Fräulein“ Regina Bischoff den Getzerhof bewirtschaftete. Ebenfalls zu dieser Zeit wurde von ihr auch der Landschaftsgarten angelegt, in dem 1905 die „Villa Maria“ gebaut wurde.
Eine Evakuierung - zwei Perspektiven (November 2022, von Manfred Lenzen - zurück)Am 19. November 1944, drei Tage nach dem verheerenden Luftangriff auf Düren, packt Gertrud Schnitzler aus Mariaweiler, Gürzenicher Str. 21, 37 Jahre alt, ihre beiden Kinder Gerda (13) und Heinz (7), und die notwendigste Habe in einen Heuwagen, und macht sich zur Evakuierung auf den Weg zum Dürener Bahnhof. Ich interviewte als Kind meine Großmutter Gertrud Schnitzler; hier sind ihre Erzählungen: "16.11.1944, begann die Bombardierung Dürens. Fliegeralarm - Keller schlafen. Flieger kamen meist nachts um 12. Flak zwischen Echtz und Mariaweiler. Tote nach Angriff auf Friedhof in Mariaweiler. 19.11.44 Evakuierung mit Heuwagen - kaputt, Eisenschubkarre weiter mit ganzer Habe, immer in Gräben unter Beschuß, durch Düren unter Beschuß, v. Merzenich weiter nach Buir, [...] Ganzes Dorf wurde evakuiert wie ein Trek, alles in den Zug rein was ging. Zug machte Irrfahrt, weil Frontverlauf unklar, Deutsche vollkommen aufgelöst. [...] 1 1/2 Tage Zug bis nach Syke bei Bremen - 8 Monate dort, bis 24.8.1945. Manche gingen früher manche später, nach dem Zurückkommen Streit um persönl. Habe. In Syke Vormarsch v. Ami u. Briten, Deutschen nur noch auf der Flucht. Kleider aus Bettlaken. Essen b. Bauer gegen Bezahlung. [Alliierte] Soldaten konnten teilw. Deutsch."
Am anderen Ende Deutschlands, in Syke bei Bremen, zeichnet der Volksschullehrer Wilhelm Sudenn, der um 1944/45 in der kleinen Volksschule der damaligen Gemeinde Osterholz (heute Ortsteil der Stadt Syke) tätig war, seine Erfahrungen in der Osterholzer Schulchronik auf (Stadtarchiv Syke, S-OS Nr. 1, S. 87): "Am 23. Nov. kamen aus Düren (Rhld.) 5 Männer, 9 Frauen u. 11 Kinder. 7 Wagen holten sie vom Bahnhof Syke ab und brachten sie nach Petermann [Gasthaus in Osterholz]. 2 1/2 Tage waren sie auf der Bahn gewesen und fast 8 Tage von Düren unterwegs. Sie wurden von d. N.S.Fr[auenschaft] mit Kaffee und Broten bewirtet. Über 70 Personen kamen für Okel und Osterholz von denen blieben hier 6 Männer, 15 Frauen u. 15 Kinder, dann verließen uns schon mehrere in den nächsten Tagen und fuhren zu Verwandten nach Thüringen. [...] S. 89: Am 31. Dezember 1944 hielten sich in Osterholz 5 Männer, 8 Frauen und 12 Kinder aus Düren auf."
Herr Hermann Greve vom Stadtarchiv Syke erklärt: "Zum Gebiet der heutigen Stadt Syke gehören seit der Gemeindereform von 1974 die ehemalige Kreisstadt Syke sowie die früheren Landgemeinden Barrien, Gessel, Gödestorf, Heiligenfelde, Henstedt, Jardinghausen, Okel, Osterholz, Ristedt, Schnepke, Steimke und Wachendorf. Die Evakuierung von Einwohnern der Stadt Düren nach Syke bzw. in den damaligen Landkreis Grafschaft Hoya erfolgte nach dem verheerenden Luftangriff auf Düren vom 16. November 1944. Für die 12 Landgemeinden liegen z.T. Unterlagen über Evakuierte aus Düren vor. Aus dem Zeitraum 1920-1945 liegen für die frühere Stadt Syke keine Einwohnermeldeunterlagen vor (sie wurden 1945 - nur in Syke aber nicht in Nachbarorten - vernichtet). In Wachendorf wurde am 24. November 1944 der Zuzug von 35 Evakuierten aus Düren (u.a. Familien Dahmen, Wertz, Becker, Hermanns), Mariaweiler, Birkesdorf und Solingen registriert (Stadtarchiv Syke, Verzeichnis der An- und Abmeldungen für die Gemeinde Okel 5.12.1933 ff.): Am 24.11.1944 wurden angemeldet: Konrad Kraus, Rentner, geb. 13.10.1871 in Mariaweiler, offenbar wohnhaft in Mariaweiler, Rurstr. 28; Gertrud Haupt geb. Kraus, Hausfrau, geb. 22.08.1904 in Mariaweiler; Kaspar Haupt, Schüler; Anna Haupt, Schülerin. Am 11.12.1944 wurde Wilhelm Kraus, ledig, Kraftfahrer, geb. 15.03.1903 in Mariaweiler, wohnhaft in Birkesdorf, Jülicherstr. 54 , in Okel angemeldet; er verzog am 04.01.1945 nach "Düsseldorf-Westen". Weitere Evakuierte aus Birkesdorf folgten am 11.12.1944 u. 9.2.1945, aus Düren am 3.3.1945.
In der Gemeinde Ristedt trafen am 23. November 1944 aus Düren 49 Evakuierte (Familiennamen: Becker, Künster, Eismar, Prinz, Spoelgen, Giesen, Huppertz, Pannes, Oepen, Schiffer, Schleicher, Rohe, Moritz, Wolff, Werres, Peters, Latz, Limartz, Olbertz, Strauch, Schäfer) ein (Stadtarchiv Syke, Anmeldungs-Verzeichnis der Gemeinde Ristedt 1926-1945). Die Gemeinde Wachendorf erreichten am 23. November mehr als 50 Evakuierte aus dem Kreis Düren und aus Lohmar (Stadtarchiv Syke, Anmeldebuch der Gemeinde Wachendorf 1928-1961)." Einige Anmeldebehörden stellten angesichts der überwältigenden Evakuiertenzahlen die formelle Registrierung vollständig ein. So fehlt z.B. im Verzeichnis der An= und Abmeldungen der Gemeinde Okel der gesamte Monat November, obwohl aus der Schulchronik des Lehrer Sudenn ersichtlich ist, dass die Gemeinde Okel im November 1944 Evakuierte aus Düren aufnahm. Eine Durchsicht der Schülerverzeichnisse der Volksschule Syke ergab keine weiteren Informationen. Herr Hermann Greve schätzt, dass im Landkreis Grafschaft Hoya mehrere Tausend Personen aus dem Dürener Raum ankamen. Das Hoyaer Wochenblatt berichtete vom 23. bis 25. November 1944 von der Schlacht bei Aachen, erwähnte aber nirgendwo das Ankommen von Evakuierten aus der Dürener Gegend. Ab März 1945 kamen dann Ostflüchtlinge in langen Trecks zu Tausenden an, und trafen auf die West-Evakuierten. Die Abmelderegister vom Raum Syke zeigen, dass ab Mai 1945 viele der Dürener Evakuierten wieder zurück in die Heimat gingen.
Anfang April 1945 erreichten die Kriegshandlungen dann die Syker Umgegend. Wilhelm Sudenn schreibt am 6. und 7. April 1945 in sein Tagebuch: "6.IV. [...] Volkssturmleute mußten heute nachmittag nach Syke; sie sind zum Teil ausgekleidet worden. Heute abend hört man hin und wieder ein Flgzg., auch Bomben. Im S. leuchtet es manchmal auf. In Richtung Verden sieht man ein kleines Feuer. Der Eisenbahnverkehr ruht seit den letzten Tagen. [...] sagte, die Panzerspitzen seien bis Barnstorf gekommen und seien dort nach O. u. W. abgebogen. 7. [April] Die Nacht war ruhig. […] Gegen Morgen (4 + 5) hörte man in Richtung Br. eine sehr starke Detonation. Auf der Straße nach V. hört man Flugzeuge und hört aus Richtung Nienburg öfters Schießen. Bis heute mittag blieb es ruhig. Gegen 4 Uhr nachm kam das Schießen näher; in Richtung Heiligenfelde hört man Schießen. Zwischen 5 u. 6 Uhr wurde gesagt, die Panzer seien in Heiligenfelde. Dann sahen wir auf d. Gödestorfer Damm Panzer in Richtung Weser fahren; 50 Stck in einem Zuge. In Emtinghausen u. Bahlum hört man M.G. Feuer. […] stieg Rauch auf an drei Stellen. Das M.G.-Feuer zog dann weiter nach Richtung Felde-Riede. Das […] Feuer wurde zeitweise stark. Nach Dunkelwerden sah man Leuchtspur u. kurze Schläge d. Panzerfäuste u.Ari. Es mußte dort harter Widerstand geleistet werden; denn das Schießen kam nicht von d. Stelle u. hörte ganz auf. Dafür arbeiteten die Motoren um so eifriger. Gegen 10 Uhr war in Richtung Tebelmann sehr helles Feuer. Nachbar E. u. die Dürener waren bei uns, die schlafen schon. Wir legen uns z. Teil angekleidet zur Ruhe. Während der Nacht hört man nur ganz vereinzelt Schießen.". Ende Mai wurden dann vereinzelt Leute nach Düren geschickt um dort die Bedingungen für eine Rückkehr zu erkunden. Wilhelm Sudenn schreibt in sein Tagebuch: "Der 76jg. R[…] (bei 28) ist vor etwa 14 Tagen mit 2 Soldaten losmarschiert nach dem Westen (Köln-Ehrenfeld). Jetzt hat er durch einen Brief Nachricht gegeben, daß er gut angekommen sei (wenn auch mit wunden Füßen) […] Frau u. Großtochter möchten so bald als möglich nachkommen. Herr […]feld [...] ist heute morgen allein nach Düren abgefahren. Er hatte die Erlaubnis erhalten mit der Eisenbahn hin u.zurück zu fahren. Er hat Briefe von andern Eva. mitgenommen. 4. [Juni 1945] Unsere Evakuierten besprechen z.Zt. die Möglichkeiten der Rückkehr; der eine mehr und der andere weniger, aber alle sind in Gedanken dabei. Die Eisenbahn nimmt nur einzelne mit, die im Besitze eines entsprechenden Ausweises sind. Diese Ausweise werden aber wenig gegeben. Andere überlegen die Rückkehr zu Fuß oder mit Gespann. Aber Pferd und Wagen sind auch nicht zu kaufen. Einer aus Gödestorf ist bereits in Düren gewesen und hat Einzelheiten von dort erzählt. 10.VI. [...] Ritzerfeld[?] ist heue von seiner Fahrt nach Düren u. Köln zurückgekommen. Er ist vollkommen schachmatt, hat in 3 Tagen fast nichts gegessen. Überall im Rheinland (in d. Städten) ist Schmalhans Küchenmeister. Er hat hier mehr zu essen. 27.[Juni 1945] [...] Heute abend verabschiedete sich Vilvo (bei 5); er will mit noch andern Dürenern auf Treck nach dem Westen. 28.[Juni 1945] [...] Ein beschränkter Fernsprechverkehr ist im Gange. Nur die Behörden können miteinander sprechen. 28./29.VII. [...] Vilvo, Staß u. Schoenen sind nach 12 Tagen Fahrt in Düren angekommen, wie Herr Vilwo an Herrn Evers (5) schreibt. 17.VIII. Seit heute fahren die Züge bis Bremen. 19.[August 1945] Herr Zons (bei 57) ist gestern aus Köln-Kalk zurück gekommen, wo er acht Tage gewesen ist. Er fuhr gegen ½ 2 Uhr nachm. von Syke ab und kam abends in Köln an. Die Rückfahrt dauerte dagegen 2 Tage in Hamm u. Diepholz mußte er übernachten. Herrn Z. kamen die Tränen, als von Köln erzählte wie es heute aussieht. Trümmer, nichts als Trümmer und dann wenig Lebensmittel. Man sieht den Menschen den Hunger an. Manche alte Bekannte habe er nicht wiedererkannt. Dazu kommen die Streitereien der Deutschen untereinander, die Verfolgung der Nazi, Plündern (das Organisieren od. Besorgen genannt wird). 20.[August 1945] War heute in Syke: In Syke ist noch allerlei Militär. [...] Auf dem Bahnhof war eine Frau aus Düren, die nach Hillersen evakuiert war. Es war ihr vom Bürgermeister gesagt worden, die Leute hätten es nicht mehr nötig (!!) Evakuierte aufzunehmen, bis zum 15 d. nächsten Mon. Müßten alle Evak. aus dem Westen zurück da dann Flüchtlinge aus dem Osten ankämen. Ein Bauer hatte sie und ihre Sachen nun zum Bahnhof gefahren und nun mußte sie warten bis ein Güterwagen nach Düren abgeht, was noch Tage dauern kann." Obgleich die Lage in Düren und Mariaweiler alles andere als einladend erscheint, machen sich am 24. August 1945 auch Gertrud Schnitzler und ihre Kinder auf, um den Ostflüchtlingen Platz zu schaffen. Sie finden bei ihrer Rückkehr ein zerstörtes Mariaweiler vor: "Alles zerschossen & geplündert nach Rückkehr, Granaten lagen rum, Brot aus Eschweiler usw. Fahrrad mit Autoreifen-Mantel. Dächer in Eifel aus Granaten-Blech." erzählte sie mir.
Nach ihrer Rückkehr fuhren manche ab und zu wieder in ihre vorübergehende Heimat im Norden, wohl aufgrund der besseren Versorgungslage. Wilhelm Sudenn schreibt in sein Tagebuch: "7.[September 1945] Herr Vilvo u. Therese sind seit vorgestern hier. Eben besuchte er uns und erzählte von der Fahrt nach Düren u. von dort. Am ersten Tage war die Fahrt hinter Twistringen zu Ende. Am andern Tage brachte ein Trecker die Dürener bis Lemförde; dann Fuhrwerke[?] bis in die Berge. [...] Am andern Tage gings auf einem Lastwagen weiter. In Unna (Westf.) mieteten alle Familien einen Eisenbahnwagen u. fuhren bis Köln-Mühlheim. Von dort brachte sie ein Lastwagen nach Düren. 9-10 Tage hat die Fahrt gedauert. Gar manchmal durchgeregnet, auch im Eisenbahnwagen, meist in Scheunen übernachtet, in Bad Essen auch von den Leuten verpflegt. Das Haus in dem V. zuerst wohnten, hatte kein Dach. Da hat er ein einem andern Hause gearbeitet u. Material zusammen gehlt um ein Dach über der Wohnung zu haben. Nun ist er dort eingezogen. Die Fenster sind mit Sperrholz vernagelt, und im Oberlicht ist eine kleine Glasscheibe." Herr Vilvo berichtet seinerseits: "Wochenlang hatten wir keine Kartoffeln, das bekamen wir mehr Brot. Gemüse kann man sich nur weit vom Lande holen. Anstehen vorm Fleischerladen ist selbstverständlich. [...] Die Eisenbahnfahrt nach hier war alles andere als schön. Gestanden im übervollen Wagen von Donnerstags früh bis Freitags nachmittag." Dass das Organisieren von Nahrung und Material während der Besatzung nicht ungefährlich war, geht aus folgendem Bericht Sudenns hervor: "Herr V. Schwägerin ist aus Rathenow (Brdbg) zurückgekehrt. Sie und ihre Hausgenossen (Frauen u. Mädchen) sind von den Russen vergewaltigt, wie überhaupt in dieser Stadt wohl kaum ein Mädchen oder eine Frau demselben Schicksal entgangen ist, nich einmal, sondern vielmals. Ein 18j. Mädchen, das sich weigerte, wurde erschossen." Wilhelm Sudenn schließt: "Herr V. arbeitet wieder in seinem Beruf.
Ein groß Teil Leute wohnt in unzureichenden Wohnungne. Vorm Winter sollen noch 18000 Personen wieder evakuiert werden.
Fabriken sind noch keine in Betrieb. [...] Er [Herr Vilvo] möchte gern Kartoffeln mitnehmen u. Mauer-Handwerkszeug, um weitere Zimmer (2 sind erst in Ordnung) fertig zu bekommen. Sein früherer Arbeitgeber Lüning in Syke wollte ihn gern hier behalten und ihm ein Behelfsheim bauen, aber er mußte nach der Heimat."
Ein Festgedicht zu Ehren von Lehrer Cornely (Oktober 2022 - zurück)Heute einmal einige „ripuarische“ Zeilen, die am 25. Oktober 1886 anlässlich der Verabschiedung von Lehrer Cornely aus dem Lehrdienst vorgetragen wurden, wobei „ripuarisch“ nichts anderes ist, als unsere rheinische Muttersprache. Dieser Vortrag liegt uns leider nur noch in dieser Kopie vor. Das Original befand sich im Besitz von Johannes Salentin, einem direkten Nachfahren von Lehrer Cornely. Leider ist es nach seinem Tod, wie hunderte andere historische Dokumente die sich in seinem Besitz befanden auch, im Abfallcontainer gelandet und vernichtet worden. Vielleicht kann der ein oder andere ja etwas davon lesen. PS: Uns liegt auch eine Übersetzung ins Hochdeutsche vor, die unser Vereinsmitglied Helmut Dinges dankenswerterweise vorgenommen hat. ![]() ![]() Festgedicht zu Ehren von Lehrer Cornely, 25.Oktober 1886
Von Steffens in Düsseldorf (September 2022 - zurück)Heute habe ich eine Postkarte erworben, die beschrieben war mit: „Historisches Gebäude in Mariaweiler“. Dass es sich bei dem Gebäude nicht um die ehemaligen Kufferathvillen handelt, wie es zunächst schien, konnte ich anhand von Fotovergleichen schnell feststellen. Aber die Postkarte musste einen Bezug zu Mariaweiler haben. Denn sie war im Jahr 1911 auf dem Postamt in Mariaweiler abgestempelt worden. Schließlich stellte sich heraus, dass es KEIN Gebäude in Mariaweiler ist, sondern das Haus Hofgartenstraße 4 in Düsseldorf. Bei genauem Hinsehen kann man auf dem Hausnummernschild die Nr. 4 erkennen. Exklusive Lage, mit direktem Blick auf den 1769 angelegten Hofgarten. Das Haus existiert heute nicht mehr. Besitzer dieses Hauses waren Isabella und Maria von Steffens, Urenkelinnen von Johann Cremer, der nach der Säkularisierung der Klöster und Beschlagnahmung ihrer Besitztümer nach der Besetzung des Rheinlandes durch die Truppen Napoleons nicht nur die Schwarzenbroicher Mühle, sondern auch das ehemalige Kloster Nazareth mit sämtlichen Besitz gekauft hatte. Es war deren Hauptwohnsitz. Ihnen gehörte auch die „Villa von Steffens“, die auf dem ehemaligen Klostergelände in Mariaweiler gebaut wurde und auch heute noch dort steht. Offenbar hat sich eine der beiden unverheirateten Schwestern, als sie diese Postkarte schrieb, dort aufgehalten. ![]() Haus von Steffens in der Hofgartenstraße 4 in Düsseldorf
Tag des Offenen Denkmals (September 2022 - zurück)Hier mal ein Beitrag zum Thema Tag des offenen Denkmals, vom Ortsvorsteher und ehemaligen Vorsitzende des GHV, Andreas Isecke (auch auf Facebook veröffentlicht) Auch Mariaweiler hatte heute viel zu zeigen: Christ-Königs-Denkmal, Immunitätsbogen, Villa Maria, Villa Pytlik und vieles mehr haben wir im Stadtteil Mariaweiler an Denkmälern zu verzeichnen. Heute wurde durch Albert Esser, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Heimatvereins, ein Rundgang organisiert, in dem vieles zu unseren Bauwerken aus vergangenen Zeiten erzählt wurde. 1270 wurde in Mariaweiler ein Frauenkloster, das Augustinerinnen-Konvent Nazareth, erwähnt. Letzte Reste des Klosters sind als Ruinenfragmente noch sichtbar. In einer Urkunde vom 28. Januar 1351 wurde durch Papst Clemens VI. bestätigt, dass das Kloster Schwarzenbroich ein Patronatsrecht über die Pfarre Mariaweiler besaß. Vieles mehr kann im Ort und über den Ort geschichtlich erzählt und vorgetragen werden. Hier arbeitet der Geschichtsverein aktuell an guten Ideen, um interessierten Bürgerinnen und Bürgern Wissenswertes zu vermitteln. Vielen Dank an Albert Esser! ![]() Albert Esser beim Dorfrundgang zum Tag des Offenes Denkmals
Mariaweiler Denkmäler
Der Schlicher Erbbusch (August 2022 - zurück)Wer sich für Heimatgeschichte interessiert, muss bereit sein zu lesen. Wer sich für alte Traditionen interessiert auch. Denn nicht alles kann man in Bildern dokumentieren. Für diejenigen, die dazu bereit sind, hier ein fünfseitiger Artikel, der 1937 in den „Heimatblättern“ einer Beilage zur Dürener Zeitung erschienen ist. Es geht hier um den Schlicher Erbbusch, der von dessen Besitzern, Johann Cremer aus Mariaweiler und seinem Schwiegersohn Franz Josten aus Neuß entgegen alter Traditionen gerodet worden ist. Bei der entstandenen gerichtlichen Auseinandersetzung geben Zeugen über die traditionelle Nutzung und Bewirtschaftung des Schlicher Erbbusches Auskunft, die sicherlich auch in vielen anderen Wäldern der Region in ähnlicher Form stattgefunden hat. Quelle: Trude Joußen, Der Schlicher Erbbusch, Heimatblätter, 14.Jahrgang, Nummer 9, Donnerstag 29.April 1937, S.65-69. ![]() Richard Esser (August 2022 - zurück)Richard Esser, 1890 in Schlesien geboren, aber sicher einer rheinischen Familie entstammend, denn der Name „Esser“ ist eine alte niederrheinische Berufsbezeichnung für den Achsenmacher. Gemäß Adressbuch von 1925 wohnte er in Wiesenau und war selbstredend in der dort ansässigen Filztuchfabrik, Fa. Thomas Joseph Heimbach beschäftigt. Sein Beruf wird hier mit „Webereileiter“ angegeben. Er war ein fanatischer Nazi, wurde nach eigenen Angaben bereits im Jahr 1928 Mitglied der NSDAP und leitete kurz danach vorübergehend die NSDAP Ortsgruppe Düren. Im Mai/Juni 1933 wurde er Ortsgruppenleiter der NSDAP-Ortsgruppe Merken / Mariaweiler. Das blieb er bis zum 16.11.1944, dem Tag, an dem Düren in Trümmern fiel. Ab Mai 1933 war er die treibende Kraft derjenigen, die den kurz zuvor aus Vertreten der Freien und Christlichen Gewerkschaften gewählten Betriebsrat seines Arbeitgebers absetzen und durch Vertreter der NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation) ersetzen sollten. Der Geschäftsleitung kam das nicht ganz ungelegen, hatte es doch in der Vergangenheit immer wieder harte Auseinandersetzungen zwischen Firmenleitung und Arbeitgebervertretung gegeben. Allerdings mochten die Mitarbeiter von Th. J. Heimbach dem Richard Esser nicht so recht folgen. Sie warfen Esser und seinen NSBO-Leuten vor, sie seien ja doch nur Ja-Sager. Auch Essers Verhältnis zur Geschäftsleitung war inzwischen angespannt, sodass er zum Jahresende 1938 frustriert seinen Abschied bei der Fa, Th. J. Heimbach nahm und sich nur noch auf sein Amt als Ortsgruppenleiter konzentrierte. Ab 1940 fungierte er dann auch noch zusätzlich als Dürener Kreisamtsleiter. Aber auch bei der Verfolgung des Mariaweiler Pfarrers Lennarz, einem aktiven Gegner der Nationalsozialisten, blieb Richard Esser nicht tatenlos. Ende 1934 schon schrieb er an die Kreisleitung der Dürener NSDAP „.... diesem Volksverhetzer und Ketzer doch endlich das Handwerk zu legen.“ Aber erst 1939 erfolgte dann tatsächlich die Verhaftung von Lennarz mit anschließender Verurteilung und Ausweisung aus dem Bistum Aachen. Gefuchst haben dürfte ihn, dass er bei den Vorgängen in der Fa. Andreas Kufferath, die an der Geldfälschaktion der nationalsozialistischen Regierung mit dem Decknamen „Bernhard“ beteiligt war, keinen Einfluss gewinnen konnte. Er wusste (zumindest offiziell) noch nicht einmal, was dort vor sich ging. Er sah nur, dass dort Fremde untergebracht waren, dass gewisse Mitarbeiter der Firma nicht zur Wehrmacht eingezogen wurden und dass der Firmeninhaber sich weigerte, in den ihm gehörenden Mietshäuser Einquartierungen von Soldaten zuzulassen. Die Aktion wurde von allerhöchster Stelle in Berlin betreut und die örtlichen Behörden wurden von dort aus aufgerufen „die Finger davon zu lassen“. Zu den im Jahr 1941 in Echtz hingerichteten polnischen Zwangsarbeitern äußerte er sich 1949 im Strafgefangenenlager Esterwegen, das Verfahren sei ihm erst bekannt geworden, als die beiden Polen schon verhaftet waren und sich in den Händen der GESTAPO befanden. Er wurde trotzdem vom Schwurgericht Bielefeld wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Sein weiterer Lebensweg ist uns nicht bekannt. Quellen: Die kurze Biographie basiert auf Aufzeichnungen der Bücher „Nationalsozialismus in den Kreisen Düren und Jülich“, 2000, von Horst Wallraff und „200 Jahre Heimbach GmbH“ 2014 von Steffen Seischab, worin auch detailliertere Angaben zu finden sind, sowie Akten „Geheimsache K.“ im Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland in Duisburg. Das Eingangstor der Villa Maria (August 2022 - zurück)Fotos der Villa Maria gibt es eine ganze Menge. Aber auf diesem Foto, dass wir von Helmut Dinges erhalten haben, ist ein ganz besonderes Detail zu sehen. Es stammt aus der Zeit der Renovierungsarbeiten um das Jahr 2007. Hier ist noch das alte Eingangstor zu sehen, aber dahinter wird gerade das Neue, heute noch existierende aufgemauert. Die „Drachenzähne“, die das Tor heute zieren, sind aber erst in späterer Zeit installiert worden und wohl der zunehmenden Kriminalität geschuldet. ![]() Das Tor war zunächst in Grautönen gehalten und ist ebenfalls erst später der Farbe der Villa angepasst worden. Topographia Ducatus Montani (Juli 2022 - zurück)Hier ein Ausschnitt aus dem Kartenwerk "Topographia Ducatus Montani" (Topographie des Herzogtums Berg) das Erich Philipp Ploennies (1672-1751) im Jahr 1715 anfertigte. Die Originale befinden sich im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg und sind gerade neu digitalisiert worden. Darauf noch eingezeichnet das Siechenhaus, dass aber bereits 1712 abgebrochen wurde, weil dort zu viel zwielichtiges Gesindel Unterschlupf gesucht hatte. Nur die dem Hl. Lazarus geweihte Kapelle steht in diesem Jahr noch. ![]() Das Sickenhus bei Marienweiler auf dem Kartenwerk Topographia Ducatus Montani. Eine Verpfändung aus Lothringen (Juli 2022 - zurück)Neuzugang in unserem Archiv: Original – Einschreiben aus dem Jahr 1909, in dem der Direktor der Provinzial – Feuerversicherungs – Anstalt der katholischen Pfarrkirche zu Mariaweiler mitteilt, dass die im Kataster Füssenich unter Nr. 270 eingetragenen verpfändeten Gebäude des Hotelbesitzer Gaston Picard zu Lörchingen gelöscht worden sind, weil sie zum Abbruch verkauft wurden. Offenbar hatte es dort einen Versicherungsfall gegeben, in dem die Gebäude so schwer beschädigt wurden, dass sie abgebrochen werden mussten. Sie waren wahrscheinlich von besagtem Gastwirt an die Kirchengemeinde von Mariaweiler verpfändet worden. Der Ort Lörchingen liegt in Lothringen / Frankreich und heißt heute „Lorquin“. ![]() Das Kuvert. ![]() Das Einschreiben vom 28. Dezember 1909. Der Verkauf des Getzerhofes (Juni 2022 - zurück)Fräulein Regina Bischoff, die den Getzerhof über 30 Jahre lang bewirtschaftet hatte, war am 18. November 1864 gestorben. Ein Jahr später stand das Gut zum Verkauf. Hier die Versteigerungsanzeige aus der Kölnischen Zeitung.
Der Getzerhof blieb aber im Besitz der Familie. Albert Bischoff, Tuchfabrikant, Handelsrichter, Kommerzienrat aus Aachen wurde nächster Besitzer. Er war ein Neffe der Regina Bischoff.
Er verpachtete den Hof; Pächter bis 1878 war Herr Thomas Pontz. In diesem Jahr ließ er seine Ackergerätschaften verkaufen.
Versteigerungs- und Verkaufs-Anzeigen Getzerhof. Die Kupfermühle (Mai 2022 - zurück)Ein Abriss ihrer Geschichte von Albert Esser (komplette Fassung). Eine Urkunde aus dem Jahre 1501 bezieht sich auf die Mullen by Myrwyller gelegen, genant die Koffermullen. Als der Besitzer der vorerwähnten Kupfermühle, Karl Wolff, gestorben war, machten seine Erben 1501 vor dem Gericht zu Birkesdorf Prozesse anhängig. Es handelte sich um Forderungen, die wohl aus dem Kupfergeschäft stammten und 8000 Goldgulden betrugen – eine für jene Zeit ungewöhnlich hohe Summe. Als Prozessgegner ist vor allem der das größte Metallhandelsunternehmen jener Zeit, die Gesellschaft der Fugger zu Augsburg, bezeichnet (Quelle: Düren - Stadt und Land Anno 1550, 07.01.1955 von Dr. August Voigt). 1607 erhält Carcilius Hurt die Konzession, die bisher als Ölmühle betriebene Kupfermühle in eine Papiermühle umzuwandeln welche bereits im folgenden Jahr in Betrieb genommen wird (Quelle: Geuenich, Papierbuch, S. 287, Konzessionsvertrag auf der folgenden Seite abgebildet). 1726 leiht der Papiermüller Mathias Vaassen sich beim Kloster Maria Nazareth zu Mariaweiler (zum Kauf der Kupfermühle?) 163 Thaler zu 80 Albus und muss dafür eine jährliche Pension (Zinsen) von 8 Thaler 9 Stüber zahlen. Am 13. Dezember 1740 zahlt er 13 Thaler zurück, sodass noch ein Kapital von 150 Thalern übrig bleibt. Im Magistralbuch wird er als „Meister" bezeichnet (Quelle: Magistralbuch von Kloster Nazareth). Am 2. Oktober 1819 unterschreibt Peter Schoeller einen Vertrag über die Wasserverteilung der Rur für die Kupfermühle [Peter Schöller, sonst Vaassen] und zwei andere (Schönwald und Krutzmühle; Quelle: Geuenich, Papierbuch, S. 89/90). Die Firma Johann Peter Schoeller beschäftigte 1853 insgesamt 312 Arbeiter, 164 in Düren auf 84 Webstühlen, 148 in Mariaweiler (vermutlich Kupfermühle), 1 Dampfmaschine und 1 Mühlwerk (Quelle: Die betriebliche Sozialordnung der Dürener Industrie im 19. Jh., S.24). In den Krisenjahren 1854 und 1856 waren die Lebensmittel sehr teuer. Johann Peter Schoeller besaß auf seinem Etablissement in Mariaweiler (Kupfermühle) eine ähnliche Kochanstalt wie die Suppenküche der Tuchfabrik Leopold Schoeller & Söhne die eine Suppenanstalt errichtete, aus welcher alle Arbeiter das Quart Rumfordt'scher Suppe für 15 Pfennig erhielten (Quelle: Die betriebliche Sozialordnung der Dürener Industrie im 19. Jh., S.169). 1871, Düren, 1. Febr.: Heute früh gegen 3 Uhr brach in der Kupfermühle zu Mariaweiler Feuer aus. Ein Flügel dieser der Firma Johann Peter Schöller gehörigen Tuchfabrik ist total niedergebrannt. Von Versicherungsgesellschaften sollen die Westdeutsche, die Gladbacher und eine englische besonders betheiligt sein. (Quelle: Echo der Gegenwart vom 04.02.1871.) 1932: "Zu verkaufen große Fabrik mit elektr. Einrichtung und Wasserkraft, Villa mit Park und Garten, Meisterwohnung und Arbeiterwohnungen mit Gärten, Flächenmasse ca. 7 Hektar. Interessenten mögen sich wenden (täglich in der Zeit von 10 bis 12 Uhr morgens) an den Liquidator der Firma Sarx u. Koch, G.m.b.H. Mariaweiler b. Düren, Kupfermühle Telefon Düren 3383. (Quelle: Kölnische Zeitung vom 15.09., 25.09. und 02.10.1932.) 1954: Kupfermühle ohne Nr.; Rheinische Sortieranstalt GmbH, Lumpensortieranstalt (Lompeschopp) (Quelle: Adressbuch von 1954.) 1971: Sprengung und Abriss, danach Verlegung des Mühlenteiches zum Bau der Anne-Frank-Gesamtschule.
(Quelle: Dürener Zeitung.)
Die Sprengung der Kupfermühle in der Dürener Zeitung von 1971. Von Mariaweiler nach Australien (April 2022 - zurück)Auf dem Bild weiter unten ist die SMS Augusta, ein Schiff der preußischen Marine, das 1864 in Frankreich gebaut wurde. Nach verschiedenen Einsätzen war sie Mitte der 1880er Jahre vollkommen veraltet und wurde nach einer Überholung im April 1885 nur wieder in Dienst gestellt, um Ersatzmannschaft zu anderen Schiffen zu transportieren. Am 28. April 1885 verließ sie Deutschland Richtung Australien. Sie passierte den Suezkanal und erreichte die Insel Perim am Südeingang des Roten Meeres. Dort legte sie in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni wieder ab und sollte am 17. Juni Albany in Australien erreichen. Aber vier Wochen nachdem sie Perim verlassen hatte, war die Augusta immer noch nicht angekommen, was zu einer Untersuchung zum Verschwinden des Schiffes und ihrer 222 Mann starken Besatzung führte. Die Untersuchung ergab, dass ein Zyklon das Schiff im Golf von Aden versenkt hatte. Unter den Besatzungsmitgliedern befand sich auch der Feuermeister NIKOLAUS BRÜCK, der am 11. Juni 1860 in Mariaweiler geboren wurde. In verschiedenen Zeitungen wurden die Namen der Besatzungsmitglieder des untergegangenen Schiffes veröffentlicht, wie hier in der „Echo der Gegenwart“. ![]() Die SMS Augusta. ![]() Die Erwähnung des Passagiers Nikolaus Brück im Echo der Gegenwart vom 3.10.1885. Unser Tambourcorps (April 2022 - zurück)Von unserem Vereinsmitglied Dieter Porschen erhielten wir wieder ein Päckchen mit alten Fotos von Mariaweiler und Umgebung. Vielen Dank dafür lieber Dieter. Einige waren uns bisher schon als Scann bekannt, nun sind wir froh, auch die Orignialfotos in unserem Archiv zu haben. Unter ihnen war auch dieses Foto des Tambourcorps Mariaweiler, den es leider nicht mehr gibt. Das Foto ist undatiert. ![]() Der Tambourcorps Mariaweiler ca. 1955-1957. Eine vereitelte Straftat oder der mutige Herr Zapp (April 2022 - zurück)Die Vergewaltigung seiner Braut durch einen Besatzungssoldaten der französischen Armee vereitelte Felix Zapp aus Mariaweiler durch seine Gegenwehr, die ihm schwere Verletzungen durch das Bajonett dieses Soldaten bescheren sollte. Der Vorfall ereignete sich am 3. Juni 1923 an der Überführung der Umgehungsbahn, die früher von Birkesdorf aus über die alte Eisenbahnbrücke hinter der Fa. Heimbach, in einem Linksbogen quer durch das heutige Gewerbegebiet „Nickepütz“, weiter im Verlauf der heutigen „Bahnstraße“ bis nach Rölsdorf führte. Die Überführung befand sich ungefähr an der Stelle, wo sich heute die Straßenabzweigung „Papiermühle / Bahnstraße“ befindet. Hier schildern Felix Zapp und seine Braut Klara Wingens den Tathergang. Gemäß Mitteilung der französischen Militärbehörde, haben die eingeleiteten Untersuchungen zur Ermittlung des Täters zu keinem Resultat geführt. Quellen: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Duisburg. Landratsamt Düren BR 0016, Nr. 120 „Verletzung bzw. Tötung von Deutschen durch die Besatzung sowie Unterstützung der Hinterbliebenen". Eine zweiter Streich folgt sogleich. ![]() Die Bürgermeisteramtsakte Zapp vom 4. Juni 1923. Papiermühle Schwarzenbroich (April 2022 - zurück)Was hier doch eher aussieht wie ein gerupftes Huhn, soll einen Adler darstellen, der auf seiner Brust ein Kreuz trägt. Es ist das Wasserzeichen der Papiermühle der Kreuzherren zu Schwarzenbroich. Sie befand sich dort, wo zurzeit die Altenwohn- und Pflegeeinrichtung „Schöner Wohnen“ entsteht. Das Wasserzeichen der Kreuzherren ist seit ca. 1660 nachweisbar, jedoch muss die Schwarzenbroicher Mühle schon eher Papiermühle gewesen sein, denn bereits in den 1640er Jahren lassen sich in Mariaweiler sogar drei Papiermacher nachweisen. Außer der Kupfermühle, die im Jahr 1607 die Konzession zur Papierherstellung erhielt (und damit die erste nachweisbare Dürener Papiermühle war) lässt sich aber eine dritte Papiermühle in Mariaweiler nicht finden. Quelle: Geschichte der Papierindustrie im Düren - Jülicher Wirtschaftsraum“ von Josef Geuenich, 1959. ![]() Das Wasserzeichen der Papiermühle der Kreuzherren zu Schwarzenbroich. Ukraine (März 2022 - zurück)Schon einmal hat die Armee eines Diktators die Ukraine überfallen. Damals wurden viele junge Ukrainerinnen und Ukrainer zur Zwangsarbeit, auch bis nach Mariaweiler, verschleppt. Zwei Arbeiterinnen und ein Arbeiter haben diesen Einsatz nicht überlebt. Sie sind im Krankenhaus in Lendersdorf an Tuberkulose gestorben und hier beerdigt worden. Bereits vergangenes Jahr im November hatte der Geschichts- und Heimatverein Mariaweiler, Herrn Martin Fröhlich gebeten die Daten der dort aufgeführten drei Personen zu aktualisieren, nicht ahnen, wie aktuelle diese Bitte in der Kürze der Zeit werden würde. Er hat uns mitgeteilt, dass dies jetzt geschehen ist.
Nun befinden sich wieder ukrainische Bürger in Mariaweiler. Diesmal als Kriegsflüchtlinge. Sie wohnen genau dort, wo vor 78 Jahren die Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren. Heute im umgebauten ehemaligen Restaurant, damals im dazugehörigen Saal.
Die jetzt dort untergebrachten Menschen, werden, da bin ich mir ganz sicher, Mariaweiler anders in Erinnerung halten, wenn sie - hoffentlich bald – wieder in ihre Heimat zurückkehren können, als die Zwangsarbeiterinnen damals.
Wer mehr über das damalige Vorgehen der Nationalsozialisten bzgl. „Ostarbeiter“ wissen möchte, der schaue hier: Sowjetische Kriegsgefangene und "Ostarbeiter" - Portal zur Zwangsarbeit im NS-Staat.
Friedhof Echtzer Straße: Kriegsgräberstätte von zwei ukrainischen Zwangsarbeiterinnen und einem ukrainischen Zwangsarbeiter, die alle im Krankenhaus Lendersdorf an Tuberkulose gestorben sind. Fahnenappell bei der Firma Thomas Josef Heimbach (Februar 2022 - zurück)![]() Fahnenappell bei der Firma Thomas Josef Heimbach. Hochwasser (Januar 2022 - zurück)Heute möchte ich das bereits im Oktober hier behandelte Thema „Hochwasser am 17. Mai 1926“ noch einmal aufgreifen. Bereits wenige Tage nach diesem Hochwasser ist das Negativ der fotografierten Situation entwickelt und eine Postkarte gedruckt, die am 21. Mai 1926 beschrieben und am darauf folgenden Tag von Düren aus verschickt wird. Der Absender wird nicht explizit genannt, aber dem Text ist zu entnehmen, dass er in dem überschwemmten Haus auf der linken Seite der Karte gewohnt hat. Er hat es am oberen Kartenrand gekennzeichnet. Wer weiß, wer dort 1926 gewohnt hat, kennt auch den Absender. Adressiert ist sie, wie man, glaube ich, gut lesen kann an Fräulein Doris Jacobs, die zu dieser Zeit in Wien, in der Posthorngasse wohnte. Der Text lautet: Meine liebe Doris Ich und die Meinen senden Dir und den Deinen die herzlichsten Pfingstgrüße und wir hoffen, daß es Euch allen recht gut geht. Für Deine Ostergrüße nimm nachträglich meinen besten Dank und entschuldige, daß ich damit so spät komme. Umseitig siehst Du unser Heim X im Wasser, das uns am 17./5. überraschte. Nochmals viele Grüße von Onkel Will + Familie. Die Empfängerin Doris Jacobs wird in Wien „Dora“ genannt, wohnt von 1926 bis 1930 in der Posthorngasse 7 im 3. Stock. Das geht aus den Wiener Adressbücher hervor. Sie stammt, genau wie „Onkel Will“, aus Konzendorf. ![]() Hochwasser am 17. Mai 1926. Ein MISSIONAR aus Mariaweiler! (Dezember 2021 - zurück)Kaum jemand weiß, dass der in Mariaweiler geborene und aufgewachsene NIKOLAUS SPÖLGEN sich zur Bekehrung der Ureinwohner auf den Weg in den Norden von Papua-Neuguinea, dass damals preußische Kolonie war und „Kaiser – Wilhelms Land“ hieß, gemacht hat. Er war das jüngste von 11 Kindern von Caspar Spölgen und seiner Ehefrau Helene Birrenbach. Die Familie hatte zunächst in Schlich gewohnt, woher der Vater stammte und ist ca. 1866 nach Mariaweiler gezogen. Wie aus dem Zeitungsbericht aus „Echo der Gegenwart“ vom 29. März 1901 zu ersehen ist, wird Nikolaus Spölgen im Jahr 1889 Missionsschüler in Steyl in den Niederlanden. Aber erst 1891 stellt er einen offiziellen Ausreiseantrag, um in die Niederlande auszureisen. Leider war ihm in Papua-Neuguinea kein langes leben vergönnt. In dem etwas mehr als ein Jahr dauernden Aufenthalt half er mit, die Sprache des Walmanstammes, wie ein Stamm der Ureinwohner genannt wurde, aufzuzeichnen und zu übersetzen. Am 2. März 1901 starb er dort. Er war gerade 26 Jahre alt geworden. Da die Missionare in Papua - Neuguinea nicht so zahlreich waren, wird Nikolaus Spölgen in einigen Veröffentlichungen genannt. Ein Papuakind, dass inzwischen Deutsch gelernt hatte, schrieb: „Liebe ehrwürdige Schwestern. Zwei Missionare sied gestorben Vater Spölgen und Schleiermacher. Schwester Keine gestorben Schwester sied Krank gewesen Schwestern Valeria und Schwestern Maktalena auch Krank. Schwestern Kristobra auch Krank Mein Vater ist getauv heist Gerhart Meine Mutter sied gestorben Meine groß Mutter lebt noch heißt Wilhelmine meine groß Vater nich getaubt 14 Mädchen won beidem Schwestern Schwestern Kristobra hielf uns slafen Maria Bol hat groß Wunde viele Blut. tiese nacht war erd beben Die Mädchen haben viel geschrien Jesus Bield in der Kirsche von Schwestern ist gabut gefallen. ich grüßt alle Schwester.“ ![]() Aus dem Tagebuch des Nikolaus Spölgen. Quelle: „Echo der Gegenwart“ vom 29. März 1901. ![]() Segelboot von der Walman-Küste bei Berlin Hafen, Kaiser Wilhelms Land. Allen Mitgliedern frohe Weihnachten (Dezember 2021 - zurück)![]() Allen Mitgliedern frohe Weihnachten. Das Kreuz vom Getzerhof (Dezember 2021 - zurück)Das Bild dieses Kreuzes, dass einst an der Einfahrt zum Getzerhof stand, verbunden mit der Frage, ob es wohl noch existieren würde. Die Reaktion war überraschend. Es stellte sich heraus, dass das Kreuz auf dem Dachboden des Getzerhofes gelegen hat. Der neue Eigentümer wusste damit nichts anzufangen und hat es an Willi Kuckartz verkauft. Der hat es restaurieren lassen und in seinem Garten aufgestellt wo es heute noch steht. Innerhalb weniger Stunden hat der GHV in Gesprächen mit dem Enkel von Willi Kuckartz, der ebenfalls Willi heist und Stephan Bendt, dem Eigentümer des Getzerhofes vereinbart, es an der Stelle wo es früher stand wieder aufzustellen. Ein toller Erfolg. Neue Informationen hier. ![]() Das Kreuz vom Getzerhof. Firma Kufferath auf der Gewerbeausstellung in Berlin 1822 (Dezember 2021 - zurück)Initiiert von dem preußischen Staatsmann Christian Peter Wilhelm Beuth, der ein großer Förderer des Gewerbes war, fand vom 1. September bis zum 15. Oktober 1822 in Berlin die erste regionale Ausstellung im Gewerbehaus in der Klostergasse statt. Damals stellten 182 Gewerbetreibende 998 verschiedene Erzeugnisse den 9514 Besuchern vor. Von den wenigen Ausstellern aus der Region war als einziger aus dem Raum Düren die Fa. Kufferath mit ihren „Metalltüchern“ eingeladen. Damals firmierte man offenbar noch unter der Bezeichnung „Gebrüder“ Kufferath, denn außer Andreas waren auch noch dessen Brüder Peter Joseph, der einen Monat nach Beendigung der Ausstellung verstarb, sowie Johann Wilhelm, der 1825 verstarb, mit im Geschäft. Es ist der bisher älteste gefundene Nachweis, dass in Mariaweiler Metalltuch gewerbsmäßig hergestellt wurde. Interessant ist hier die Beschreibung bzgl. des verwendeten Messingdrahtes. Offenbar ist er mangels Alternative des noch jungen Gewerbes in Wollspinnereien auf Spulen gewickelt worden. Aber für wen wurde das Gewebe produziert? Sicher standen die Papierhersteller im Focus der Firma, waren doch einige Familienmitglieder in dieser Branche tätig. Aber Papiermaschinen, wenn man die anfänglichen Konstruktionen zur Erleichterung des anstrengenden Handwerks denn schon so nennen will, gab es höchstens eine Hand voll in ganz Preußen. Andreas Kufferath und seine Brüder hatte zu dieser Zeit wohl eher die noch in großer Zahl tätigen Papiermüller, die ihre Schöpfrahmen selbst fertigten, als Kunden im Visier. Bereits 1776 hatte der Kameralwissentschaftler Bergius die Papiermacher aufgefordert, die Herstellung von Schöpfrahmen, wie schon in Holland oder Frankreich üblich, denen zu überlassen, die sich besonders gut damit auskennen. Die Kufferaths scheinen in Preußen mit die ersten gewesen zu sein, die dieser Aufforderung gefolgt sind. Übrigens – einer der zwei letzten Schöpfrahmenhersteller Deutschlands stammt aus der in Mariaweiler tätigen Papiermacherfamilie Hollmann. Franz Hollmann war in Mülheim an der Ruhr bis ca. 1900 in diesem Metier tätig. ![]() Auszug aus der Kölnischen Zeitung vom 21.Juli 1822. Zum Volkstrauertag (November 2021 - zurück)Liebe Vereinsmitglieder, aus gegebenem Anlass übersende ich Euch das Ergebnis der diesjährigen Gedenkfeier zum Volkstrauertag, mit dem Text der Ansprache durch Ortsvorsteher und stev. Bürgermeister Andreas Isecke, die für mich und den GHV zur Überraschung wurde. Albert Schweitzer, ein Friedensnobelpreisträger, hat einmal gesagt: "Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens." Der Volkstrauertag ist ein Blick zurück, ein Blick in die Vergangenheit - ein Blick auf Soldatengräber. Er ist den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaften gewidmet. Jedoch soll er auch in der Gegenwart zum Frieden mahnen. Wir alle haben uns aus diesem Grund am Kriegerdenkmal eingefunden. Ich freue mich sehr, dass Sie alle gekommen und heute dabei waren, dies war im vergangenen Jahr in dieser Personenanzahl nicht möglich, umso mehr erfreute es mich, Sie alle gesund und munter gesehen zu haben. Der Zweite Weltkrieg und die NS-Diktatur liegen lange zurück, aber ihre Schatten reichen bis heute. Die Zeit lindert den Schmerz, aber sie heilt nicht alle Wunden. Am heutigen Tag gedenken wir gleichfalls der Opfer aus unserem Land und in vielen anderen Ländern, die die Kämpfe und Gewaltausbrüche unserer unmittelbaren Gegenwart gefordert haben. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, uns führt heute die Trauer zusammen, verbunden mit dem Bestreben, die Opfer vor dem Vergessen zu bewahren. Denn wenn niemand mehr an sie denkt, dann sind sie endgültig tot, dann kann ihr Schicksal keinem mehr etwas sagen. Für ein friedvolles und soziales Miteinander sind Achtung und Toleranz gegenüber unseren Mitmenschen unabhängig von ethnischer Herkunft oder persönlichen Weltanschauungen entscheidend. Im Kleinen wie im Großen. Und dies wollen wir für uns im Gedächtnis und im Herzen bewahren, wenn wir heute hier stehen und alle zusammen den Volkstrauertag begehen. Nach dieser Rede, haben Max Dichant, Hein Heidbüchel und ich, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Heimatverein Mariaweiler, Herrn Albert Esser, ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg überreicht - einen Kriegshelm, der auf einem Grundstück in Mariaweiler gefunden wurde. Dieser Helm zeigt, wie gewaltig und brutal auch in unseren Stadtteilen die kriegerische Zerstörung gewesen ist. ![]() Zum Volkstrauertag 2021. Obligationen aus dem Magistralbuch von Kloster Maria Nazareth (November 2021 - zurück)Heute noch einmal eine Seite aus dem Magistralbuch von Kloster Maria Nazareth, mit Bezug auf in Mariaweiler ansässige Gewerbetreibende. Im Bild eine Obligation aus dem Jahr 1726 über 60 Reichsthaler, ausgestellt auf die Witwe des „Matthias oder Mieß Vaaßen“. Hier hat der Schreiber jedoch einen Fehler gemacht. „Mieß“ hat er mit „Matthias“ übertragen, was aber falsch ist. „Mieß“ ist die Kurzform von „Bartholomäus“. Und in der Tat ist dieser Bartholomäus Vaaßen 1714 gestorben. Er ist vermutlich Müller auf der Thelensmühle, die damals noch nicht so hieß, gewesen. Aus zwei Ehen sind uns 13 Kinder bekannt. Die Söhne Bartholomäus und Edmundus aus 2. Ehe werden hier genannt. Sie zahlten die Pension der Obligation bis 1740, denn ihre Mutter war 1734 gestorben. Am 21. November 1740 wurde die Schuld von Edmundus Vaaßen zurück gezahlt. Edmundus wird hier als „Münchhalffe“ bezeichnet. Er war Pächter des Klosterhofes „Gut Nazareth“. Bartholomäus ist gemäß dieses Dokumentes „Bierbrauer“ gewesen. Der älteste Hinweis auf das Bestehen der sich 100 Jahre lang im Besitz der Familie Vaaßen befindliche Brauerei. Aus späteren Aufzeichnungen wissen wir, dass diese Brauerei das linke Eckhaus der heutigen Straßen - An Gut Nazareth / Erftstraße, heutiges Haus - An Gut Nazareth Nr. 31 war. Im Jahr 1835 lebte von der Familie Vaaßen in Mariaweiler niemand mehr. Die Mobilien und Immobilien der Erbengemeinschaft Vaaßen – Thelen – Jansen standen zum Verkauf. Darunter auch die Brauerei. Käufer war offenbar der auf der Kupfermühle geboren Andreas Tesch, der sie vielleicht vorher schon gepachtet hatte. Die Familie Tesch ist bis 1907 als Bierbrauer nachweisbar. Nachfolger seines Vaters Andreas wurde Sohn Anton Tesch, der im besagten Jahr starb. Im Adressbuch von 1910 ist dann Josef Kaiser als Bierbrauer eingetragen. Wie lange er die Brauerei betrieben hat, wissen wir nicht. Jedenfalls wird er im Adressbuch von 1925 nur noch als „Arbeiter“ bezeichnet. Es sind oft unscheinbare Details, oder wie hier kaum lesbare Zeilen, die einen manchmal weiterbringen. ![]() Eine Obligation aus dem Jahr 1726 über 60 Reichsthaler, ausgestellt auf die Witwe des „Matthias oder Mieß Vaaßen“. Ein großes Darlehen vom Kloster Maria Nazareth (Oktober 2021 - zurück)Im Jahr 1638 hat das Kloster Maria Nazareth zu Mariaweiler der Stadt Düren 800 Reichsthaler geliehen, die dafür eine jährliche Pension (Zinsen) von 40 Reichsthalern zahlen musste. Das geht aus dem Magistralbuch des Klosters hervor, dass im Kreis- und Stadtarchiv Düren aufbewahrt wird. Die mit Abstand größte Summe, die das Kloster verliehen hat. Im Jahr 1739, in dem das Buch angelegt wurde, zahlte die Stadt Düren nur noch 32 Reichsthaler auf das Kapital, von dem auch 101 Jahre nach seiner Auszahlung noch nichts zurück gezahlt war. Ab 1745 wurden 31Thaler 12 Stüber und ab 1752 nur noch 27 Thaler 18 Stüber bezahlt. 1764 bis 1769 gab es unregelmäßige und geringere Zahlungen. Die Einträge enden im Jahr 1790 ohne das zu erkennen ist, das vom aufgenommenen Kapital etwas zurück gezahlt wurde. Aber nicht nur die Stadt Düren, auch die Schneider- und Tuchscherer Zunft der Stadt Düren lieh sich im Jahr 1730 vom Kloster Nazareth 250 Reichsthaler. Das Buch gibt auch einen guten Überblick über die gewerblichen Tätigkeiten Mariaweilers in dieser Zeit, die ja im Wesentlichen geprägt war von der Papierherstellung. So befindet sich der Papiermüller Thederich Quirinus im Jahr 1671 mit 100 Thalern unter den Schuldnern des Klosters. Meister Matthias Vaassen, Schöffe und Papiermüller auf der Kupfermühle lieh sich im Jahr 1728 ein Kapital von 162 Reichsthalern, vermutlich zum Erwerb der besagten Mühle. Bartholomäus Hollmann aus der Familie der Papiermüller auf der Schwarzenbroicher- oder Gelben Mühle erhielt im Jahr 1763 für sein Engagement als Papiermüller in Inden vom Kloster ebenfalls 100 Reichsthaler. Und auch adelige Familien waren dabei. So z.B. im Jahr 1641 Junker Lövenich auf dem Hof zu Lamersdorf mit 200 Reichsthalern und im Jahr 1740 die Dommermotsche Erbpacht der Freifrau von Quadt zu Obermaubach mit 175 Reichsthalern. Außer den Auflistung zahlreicher Obligationen und Pachtverhältnissen gibt es aber auch noch andere Aufzeichnungen in diesem Buch. Neben einem längeren lateinischen Text auch unter der Überschrift „Merkwürdigkeiten“ viele Dinge, die im Laufe der Zeit im Kloster vor sich gegangen sind. Von einigen Seiten aus dieser Rubrik sind schon im Auftrag des GHV Transkriptionen vorgenommen worden, Weitere Auswertungen des Buches würden sicher zur Aufhellung der Geschichte des Klosters beitragen. ![]() Ein Darlehen von 800 Reichsthaler des Klosters Maria Nazareth zu Mariaweiler an die Stadt Düren. Marcodurum (Oktober 2021 - zurück)In der Nähe von Düren erlitten gemäß des römischen Historikers Tacitus im Jahr 69 n. Chr. während des Bataveraufstandes die romtreuen Ubier eine schwere Niederlage. Der vicus wurde geplündert und niedergebrannt, aber wieder aufgebaut. Das jedenfalls meint der aus Langerwehe stammende Numismatiker Prof. Dr. Johannes Heinrichs, der sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit am Institut für Altertumskunde in Köln mit diesem Thema ausführlich beschäftigt hat. Seine Ergebnisse hat er im Wesentlichen in zwei Veröffentlichungen dargelegt: In der ersteren Arbeit bezieht er auch die früheren Forschungsergebnisse des in der Villa Maria geborenen, am Landesmuseum in Mainz tätig gewesenen Prähistorikers Karl Viktor Decker (1934-2019), der nach dem Krieg selbst Grabungen dort vorgenommen hat, mit ein. Aus dessen Veröffentlichung stammt auch der hier gezeigte Kartenausschnitt, auf der die Fundstellen im Bereich des vicus und seiner Umgebung kartiert sind. Bisher sind dort noch keine systematischen Grabungen erfolgt. Sicherlich hat bei der Erschließung und Bebauung im Bereich des Straßenzuges „im Schubigsfeld“ der ein oder andere Bauherr beim Ausschachten gefundene Gegenstände klammheimlich verschwinden lassen um einen Baustop zu vermeiden. Vielleicht hat ja auch jemand Münzen oder sonstige Funde tatsächlich bis heute aufbewahrt! Der Geschichts- und Heimatverein stellt das, was er bisher zu diesem, aber auch zu anderen Themen gesammelt hat gerne zur Verfügung.
MARCODURUM, römischer vicus (Siedlung mit kleinstädtischem Charakter) in der Nähe von Mariaweiler. Unser Sportplatz (Oktober 2021 - zurück)Der alte Sportplatz am Driesch. Das war da, wo heute der vordere Teil der Anna Frank Gesamtschule steht. Neben dem Feuerwehrhaus. Aber das war nicht der erste Sportplatz des FC Rhenania. Wer weiß wo der Sportplatz vor dem 2. WK gewesen ist? ![]() Der alte Sportplatz am Driesch. Die Familie Sonanini (September 2021 - zurück)Die Familie SONANINI kam schon in den 1820er Jahren aus Graubünden – Schweiz nach Düren. Carlo Sonanini gründete dort bereits 1814 eine Glaserei. So kann man die Glaserei Sonanini als die älteste Glaserei im Raum Düren bezeichnen. Die Familie verteilte sich im Laufe der Zeit Richtung Jülich und Aachen. Einige Familienmitglieder wanderten auch in die USA aus. Aus ihr gingen Ärzte, ein Galvanisierungsbetrieb, Gerüstbau sowie mehrere Glasereien hervor. Eine davon hatte für einige Zeit ihr Domizil in der Teichgasse, heute Erftstraße. Den Älteren ist sicher auch noch das Spielwarengeschäft von Emil Josef Sonanini in Düren, Hirschgasse / Markt bekannt. ![]() Teichgasse 1947. Der Gründer der Firma Glas Porschen Josef Porschen, ist auf dem Bild oben hinter dem Herrn mit der Krawatte. Der Herr mit der Glatze ist Karl Sonanini. Der Herr oberhalb von Herrn Sonanini ist der Glasermeister Karl Breuer, der seinen Betrieb in der Nideggener Straße hatte. Links neben Karl Breuer ist sein ehemaliger Lehrling Dieter Porschen, der erste beschäftigte Geselle bei der Glaserei Porschen. (Bildnachweis: Dieter Porschen). Die Lage der Krutzmühle (August 2021 - zurück)Wir sind der Frage nachgegangen, wo ursprünglich die Krutzmühle gestanden hat. Geholfen hat uns dabei eine CD-ROM, mit der man Landkarten verschiedener Zeiten übereinander projizieren kann. In diesem Fall die Karten von 1805 und von 1998. Man muss zwar genau hinsehen, es ist aber als roter Punkt die Lage der Mühle auszumachen. Sie lag an der rechten Seite des vor kurzem errichteten neuen Eingangstores, in Höhe der heutigen Bushaltestelle. 1805, dem Jahr der Entstehung der älteren Karte war sie eine Getreide- und Ölmühle, die dem Dürener Kaufmann Johann Paul Schenkel gehörte. Er hat sie aber nicht selbst betrieben, sondern an Heinrich Esser verpachtet. (Im Buch zum 200jährigen Bestehen der Fa. Heimbach steht „Rudolf“ Schenkel. Das war der Sohn von Johann Paul und ist falsch.) Ab dem Jahr 1817 fanden dann wesentliche Veränderungen im Bereich der Mühle statt. Johann Paul Schenkel verkaufte sie an die Brüder Johann Peter, Friedrich und Leopold Schoeller, die dort eine Walkerei, Schererei und Rauherei einrichten wollten. Zu diesem Zweck wurden die neuen Eigentümer verpflichtet, das Mühlrad 190 Fuß, das sind ca. 60 Meter, teichaufwärts, also Richtung Düren, zu verlegen. Die Genehmigung hierzu wurde am 18. Dezember 1817 erteilt. Es mussten also komplett neue Mühlengebäude errichtet werden. Die Bauarbeiten haben sicherlich kurz nach der Genehmigung begonnen. In den 200 Jahren, die mittlerweile vergangen sind, haben die Besitzer gewechselt, sowohl Gebäude als auch Mühlenteich sind verändert worden. Fragmente der ersten Bebauung haben die Zeit allerdings überstanden. Sie sind bei der jetzigen Renovierung bewusst erhalten worden und auf der Rückseite des Gebäudes, im Tür- und Fensterbereich zu sehen. Anhand der Geschichte der Mühle kann man ihr Alter genau bestimmen. ![]() Bildnachweis: Homepage der Gut Nazareth GBR, Foto aus der frühen Renovierungsphase.
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